Ausgleichsmaßnahme Sulzen - Waldweideprojekt

Betreff
Ausgleichsmaßnahme Sulzen - Waldweideprojekt
Vorlage
GR/2020/092
Art
Beschlussvorlage GR

Im Laufe der Überlegungen für den ökologischen Ausgleich für das jetzige Bebauungsverfahren „Gewerbegebiet Sulzen“ ist eine Anregung seitens des Revierleiters Joachim Reger auf große Resonanz gestoßen.

Dieser hat angeregt eine Teilfläche von ca. 4 – 5 ha bewaldeter Fläche auf dem Klippeneck wieder in den historischen Zustand einer Waldweide zu versetzen. Zum einen würde so wieder ein vormals typisches Landschaftsbild der Albhochfläche geschaffen und zum anderen würde hier auch ein Biotop entwickelt, in dem es stark gefährdeten Pflanzen und Insekten wieder ermöglicht wird sich anzusiedeln und dauerhaft zu etablieren.

Darüber hinaus würde können wir durch diese Maßnahme voraussichtlich den noch fehlenden Ausgleich an Ökopunkten für die Maßnahme Sulzen generieren.
Bei der Fläche handelt es sich um eine gemeindeeigene mit Nadelgehölz bestückte Fläche.

 

Bei einer Waldweide oder auch als Hutung (Hutewald) bezeichnet, handelt es sich um eine Mischung aus Weide und vereinzelten Bäumen und Baumgruppen. Zum Teil sind diese Einzelbäume, die dem Vieh als Unterstellplatz dienten noch sichtbar. Diese Bäume gilt es wieder solitär zu stellen und einzelne Solitärbäume heran zu züchten. Weiter sollen aber auch einzelne (vor der Beweidung geschützte) Baum- und Gebüschgruppen extra Biotope innerhalb des Biotops Waldweide bilden.

Durch die frühere Waldbeweidung wurde Gebüsch und nachwachsende Baumsprösslinge abgefressen und so der Aufwuchs eines regulären Waldes zugunsten einer halboffenen, mit Solitärbäumen durchwachsenen Landschaft geschaffen. Gerade dieser Landschaftstyp, wie er noch heute auf den Almen vorherrscht und auch noch stellenweise auf der Alb anzutreffen ist, bietet vielen seltenen Pflanzen und Tierarten ein ideales Biotop. Beispielhaft seien erwähnt Enziane, Silberdistel, Orchideenarten, Wachholder, Küchenschellen, Distelarten usw. Diese wiederum sind Nahrungsquellen für verschiedene Schmetterlingsarten, Wildbienen und sonstigen Insekten. Weiter ist dies auch ein Biotop für verschiedene Vögel und Fledermausarten und Äsungsfläche für das Wild.

Die Umwandlung von einem geschlossenen Wald in eine Waldweide dauert längere Zeit. Von Anfang an muss die Fläche in einem abgestuften Plan beweidet werden um zum einen nachwachsenden Wald und eine Verbuschung zu verhindern und zum anderen die Ansiedlung der für die Waldwirtschaft typischen Flora und Fauna zu ermöglichen.

Bei einer ersten Besprechung mit Vertretern der Naturschutzbehörde, Forstwirtschaft, Planer und Gemeinde war man sich der großartigen Chance für das Landschaftsbild, den Naturschutz und natürlich auch für den Naturliebhaber bewusst.  Insgesamt eine große Aufwertung der Hochfläche Klippeneck.

Rechtlich bleibt die Fläche im Waldverbund und somit in der Waldkartierung. Eine Zustimmung der höheren Forstbehörde ist erforderlich und wird derzeit eingeholt. Eine genaue Abgrenzung und ein detaillierter Bewirtschaftungsplan müssen noch erstellt werden. Die Beweidung kann professionell durch die Schafhaltung Lohmüller erfolgen. Mit Schautafeln soll das Projekt den Besuchern erläutert werden. Eine Einzäunung ist nur partiell zum Schutz einzelner Baum- und Gebüschgruppen vorgesehen, ansonsten bleibt das Gelände offen und begehbar.

Auch wenn sicherlich noch viele Details zu dem Vorhaben nicht vorliegen, bitten wir den Gemeinderat hier um seine grundsätzliche Zustimmung.

 

Auf das im Anhang beigefügte Merkblatt Waldweide der Forstdirektion wird hingewiesen.

 

Was sind Ökopunkte und wie werden sie berechnet?

 

Biotopwertverfahren sind in Deutschland standardisierte Bewertungsverfahren von Biotop- oder Nutzungstypen, vor allem zur Verwendung bei der Eingriffsregelung nach Bundesnaturschutzgesetz und bei der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Der Verursacher eines Eingriffs weist mit einem solchen Verfahren der Naturschutzbehörde gegenüber nach, dass die von ihm geplanten Kompensationsmaßnahmen (Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) zur Kompensation des Eingriffs ausreichend und angemessen sind. Weiterhin dienen Biotopwertverfahren dazu, im Verfahren selbst nicht realisierte oder realisierbare Kompensationsmaßnahmen zu verschieben. Sie dienen dann zur Bestimmung angemessener Maßnahmen im Rahmen eines Maßnahmenpools oder eines Ökokontos. Werden gar keine Maßnahmen durchgeführt, kann anhand der Verfahren die Höhe der Ausgleichszahlung (Ersatzgeld) festgelegt werden.

„Währung“ in Biotopwertverfahren sind Wertpunkte, die meist (etwas salopp) als „Ökopunkte“ bezeichnet werden. Der durchführende Gutachter ermittelt zunächst die Summe der Ökopunkte im (vorher definierten und abgestimmten) Wirkraum des Eingriffs im aktuellen Zustand, d. h. vor Realisierung des Vorhabens. Die Auswirkungen des Vorhabens auf Natur und Landschaft werden prognostiziert und ebenfalls in Ökopunkte umgerechnet. Anhand der Differenz vorher–nachher ermittelt der Gutachter den Umfang der dem Verfahren gemäß erforderlichen Kompensationsmaßnahmen. Dem Zustand „vorher“ stellt der Gutachter schließlich einen prognostizierten Zustand „nachher“ gegenüber, der dem Zustand nach Realisierung des Vorhabens einschließlich der geplanten Kompensationsmaßnahmen entspricht. Ist die Summe „nachher“ mindestens so groß wie „vorher“, ist der Nachweis des gesetzlich geforderten Ausgleichs erbracht.

Zur Ermittlung der Wertpunkte dient ein einfaches und leicht nachvollziehbares Verfahren:

·         Schritt 1: Der Planraum wird in ein Mosaik aus quasi-homogenen Teilflächen zerlegt, so dass jede Teilfläche einem Biotoptyp entspricht. Die Biotoptypen sind in einer Liste definiert, die wesentlicher Bestandteil des Verfahrens ist. Nur auf der Liste verzeichnete Biotoptypen dürfen verwendet werden.

·         Schritt 2: Die Flächengröße (in Quadratmetern) der Teilflächen wird bestimmt (mit Hilfe eines Geoinformationssystems). Aufsummiert entsprechen sie der Größe des Planraums.

·         Schritt 3: Jedem Biotoptyp werden vom Verfahren nach Liste Wertpunkte zugewiesen, die je nach angenommenem Wert des Typs unterschiedlich hoch sind. Viele Verfahren enthalten ergänzende Vorschriften, die eine individuelle Auf- oder Abwertung zulassen.

·         Schritt 4: Der Wert einer jeder homogenen Teilfläche wird als „Fläche in Quadratmetern“ mal „spezifische Wertpunkte für den zugewiesenen Biotoptyp“ berechnet. (z. B.: Eine Streuobstwiese ist 5.000 Quadratmeter groß. Streuobstwiesen erhalten nach dem Verfahren 8 (von möglichen 10) Wertpunkten. Die betrachtete Streuobstwiese erhält danach 40.000 Ökopunkte). Aufsummiert ergibt sich der Wert des Planraums.

·         Schritt 5: Dasselbe Verfahren wird für den Planraum nach Realisierung des Vorhabens durchgeführt. Viele Verfahren legen für neu geschaffene Biotope andere (meist geringere) Wertpunkte zugrunde als für bestehende (2 Listen).

Wird der Ausgleich nicht im Verfahren durchgeführt, kann mit demselben Verfahren leicht der Gegenwert von Flächen und Maßnahmen aus einem Ökokonto oder Flächenpool berechnet werden. Außerdem können „überschüssige“ Kompensationsmaßnahmen auf der Haben-Seite des Ökokontos gebucht werden. Zur Umrechnung in eine Ersatzgeldzahlung wird ein Ökopunkt mit einer vorher festgelegten Geldsumme pro Punkt multipliziert.

 

Waldkulturerbe "Neuweiler Viehweide" im Schönbuch

 

Der Schönbuch ist ein ausgedehntes Waldgebiet im Süden der Region Stuttgart. Im Mittelalter und bis zum Beginn der Neuzeit sah der Schönbuch anders aus als dies heute der Fall ist. Von Goethe ist eine Beschreibung des Schönbuch überliefert, die er bei einer Kutschenfahrt von Stuttgart nach Tübingen verfasste. 

Der Schönbuch hatte gemäß dieser Beschreibung ein parkartiges Aussehen. Der Wald war bis auf einige sogenannte Weidebäume zurückgedrängt. Überall weidete Vieh unter den Bäumen. An ein Aufkommen von Jungwuchs war unter diesen Umständen nicht zu denken. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Waldweide verboten. Der Wald konnte sich wieder regenerieren. Das Verbot gilt bis heute.

An verschiedenen Stellen des Schönbuchs kann man die seinerzeitigen Solitärbäume mit ihren ausladenden Kronen - meist Eichen - noch sehen. So auch im Naturschutzgebiet Neuweiler Viehweide bei Waldenbuch. Das 13,5 Hektar große Naturschutzgebiet wurde im Jahr 1984 verordnet. Es befindet sich an einem nach Südosten abfallenden Hang. Das Gebiet wurde früher von den Bauern des nahen Orts Neuweiler als Viehweide genutzt. Diese Nutzungsform nennt man auch Hudewald. 


Heute ist das Gebiet längst wieder durchgehend bewaldet. An vielen Stellen sieht man noch alte Eichenbäume, die ohne Zutun des Menschen im Rahmen der natürlichen Waldentwicklung in den kommenden Jahrhunderten wieder verschwinden würden. Die Forst- und die Naturschutzverwaltung von Baden-Württemberg haben auf einer Teilfläche von 6 Hektar des Naturschutzgebiets die jüngeren Bäume zurückgedrängt und die bis zu 350 Jahre alten Eichen freigestellt. Dieses Gebiet wird nun im Sommer regelmäßig wieder beweidet, teilweise von Pferden, teilweise von Ziegen. So soll sich auf dieser im Sommer eingezäunten Fläche wieder ein Waldbild einstellen, wie man es vor Jahrhunderten noch vielfach im Schönbuch gesehen hat.

Im Winterhalbjahr findet keine Beweidung statt. Der Zaun ist dann abgebaut und das Gebiet gehört wieder den Wildtieren. Von einer Holzplattform aus, genannt Hirtensitz, kann man das beweidete Waldgebiet überschauen. Ein Rundwanderweg führt von einem Wanderparkplatz im Aichtal bei Waldenbuch um das Naturschutzgebiet herum und kommt hierbei auch am Hirtensitz vorbei.

 

 

 

Wuhrer

Bürgermeister

Der Gemeinderat stimmt dem Vorhaben grundsätzlich zu und bittet die Verwaltung den Gemeinderat über die Entwicklung weiter zu unterrichten.