Herr Gemeinderat Martin Schnee hat in der Sitzung vom 04.06.2019 den Antrag eingebracht, dass man sich angesichts des Insektensterbens, im Gemeinderat einmal mit der Straßenbeleuchtung befassen soll. Es solle einmal überlegt werden, ob man diese nicht ab einem gewissen Zeitpunkt abschalten soll.
Die Gemeinde hat mit staatlicher Förderung die gesamte Straßenbeleuchtung auf die LED-Technik umgestellt. Dies führt zu einer erheblichen Stromeinsparung; man geht i.d.R. von 30% aus. Weiter hat diese Beleuchtungstechnik und auch die mit dem Umbau verbundenen Leuchtkörper eine größere Lichtstreuung und ein „wärmeres“ Licht.
Bis zur Umstellung wurde ca. jede zweite Straßenlampe ab ca. 24.00 Uhr abgeschaltet. Seit der Umstellung auf LED brennen die Straßenlampen insgesamt die gesamte Nacht durch. Dies hat sicherlich auch zu einem gewissen Sicherheitsgefühl innerhalb der Gemeinde geführt.
Nachfolgende Umfrage unter verschiedenen Gemeinden in der Umgebung zeigt, dass hier die meisten Gemeinden die Straßenbeleuchtung ab einem gewissen Zeitraum entweder ganz oder zumindest teilweise abschalten.
Umfrage
Straßenbeleuchtung - Nachtabsenkung
Aldingen
Seit wir auf LED umgestellt haben dimmen wir in Aldingen in der Nacht alle Lampen auf 50 %, in Aixheim ist jede 2te Lampe in der Nacht aus.
Frittlingen
Bei uns durchgängig. Mit
Reduzierung der Intensität um ca 50% zwischen 23 und 5 Uhr. Kolbingen
Wir schalten um 0.30 Uhr ab, die Einschaltung am Morgen erfolgt um 4.30
Uhr. Sonntags um 7.00 Uhr (greift natürlich nur im Winter). An 3 bedeutenden
Kreuzungen bei der OD ist eine Dauerschaltung und die brennen durch.
Wehingen
Bei uns ist die Beleuchtung bis 22 Uhr komplett an. Danach wird nur noch
jede 2te. Laterne geschaltet bis 0.30 Uhr. Dann ist aus bis auf 3 Kreuzungen
die die ganze Nacht ausgeleuchtet sind.
Deißlingen
Wir schalten schon seit einigen Jahren um 0 Uhr jede zweite Straßenlampe aus.
Wellendingen
Bei uns wir ganz abgeschaltet. Unter der Woche von 01:00 Uhr bis 04:30 Uhr,
am Wochenende von 02:00 bis 06:00 Uhr!
Balgheim/Mahlstetten
In M. und B. ist die Beleuchtung jeweils die gesamte Nacht durch an, wird
aber zwischen 21.30 und 6.00 Uhr auf 50 % Leuchtkraft abgesenkt.
Bubsheim
bei uns wird schon seit Jahren in halbnächtige und vollnächtige Beleuchtung
unterschieden. Ab 23.30 Uhr leuchten nur noch die vollnächtigen. Das sind rund
35 % der gesamten Leuchten. Vor allem für die Zuwegung zu den
Industriebetrieben für die Schichtarbeiter und an neuralgischen Punkten im
Straßennetz sind die Standorte für die vollnächtigen Leuchten.
Gosheim
Bei uns (allerdings keine LED, sondern Natriumdampflampen und alte
Quecksilberdampf-lampen) brennen die Lampen bis 23:30 Uhr, danach nur noch jede
dritte Lampe.
Deilingen
Montag bis Freitag, Beginn morgens 5.00 Uhr, Ende nachts um 1.00 Uhr.
Samstag und Sonntag, Beginn morgens 5.30 Uhr, Ende nachts um 1.00 Uhr.
Zudem wird täglich ab 22.30 Uhr zur Energieeinsparung jede zweite Leuchte im gesamten Ortsbereich abgeschaltet bzw. die Leuchten werden gedimmt (LED). Die Beleuchtung von Straßenkreuzungen wird hiervon ausgenommen.
Böttingen:
In unserer Gemeinde sind bis 23.00 Uhr alle (LED)-Lampen in Betrieb. In der
Zeit von 23.00 Uhr bis 24.00 Uhr brennt nur noch jede zweite Lampe (also die
Hälfte der Straßenbeleuchtung.)
Ausnahme: 5 gefahrenträchtige Einmündungsbereiche / bzw. Einmündungen mit angrenzenden Bushaltestellen werden die ganze Nacht über beleuchtet.
Morgens startet um 4.30 Uhr jede zweite Lampe und die andere Hälfte der Lampen schaltet sich ab 5.30 Uhr zu. (Der frühe Start der Beleuchtung wurde von verschiedenen Arbeitnehmern im Schichtdienst von uns eingefordert).
In der Nacht zum 01. Mai und an Silvester sind alle Lampen die ganze Nacht über in Betrieb.
Wurmlingen:
Bei uns wird jede zweite Leuchte von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr abgeschaltet. Die anderen Lampen brennen durch. Die Straßenbeleuchtung ist komplett auf LED bzw cosmopolis White umgestellt, was zusätzlich eine Dimm Funktion in der Nacht ermöglicht.
Hausen o.V.
Bei uns in Hausen ob Verena geht das Licht um 01.00 Uhr komplett aus und
wird gegen 5.00 Uhr wieder eingeschaltet.
Zur Frage der Auswirkung der Straßenbeleuchtung auf die Insektenwelt gibt es verschiedene wissenschaftliche Abhandlungen, die sich insbesondere auch mit der LED-Technik und dem Sterben von Insekten beschäftigen.
Die nachfolgenden Auszüge sind einer Abhandlung des BUND entnommen.
Licht ist neben den Elementen Wasser, Boden und Luft die Quelle
des Lebens. Für Menschen und Tiere, die sich unter seinem Einfluss entwickelt
haben, ist es ein wichtiges Mittel zur Wahrnehmung ihrer Umwelt sowie zum
Austausch mit ihr. Die durch das Licht angesprochenen Gefühle wie Sicherheit
und Behaglichkeit verführen den Menschen, die Nacht zum Tage zu machen:
Tausende von Lichtquellen erhellen nachts unsere Städte und Dörfer. Für
fliegende, nachtaktive Insekten wird dies jedoch zu einem Problem, denn Licht
spielt eine wesentliche Rolle für ihre Orientierung. Orientieren sie sich aber
an der Straßenbeleuchtung, werden sie in ihrem natürlichen Lebensrhythmus gestört.
Besonders dort, wo es kaum Lichtquellen gibt, können solche Leuchten für
Insekten zur tödlichen Falle werden. Daher wird die Einwirkung der Außenbeleuchtung
in der Fachwelt zunehmend kritisch diskutiert.
LED Lampen für den Außenbereich
LED Leuchten, die nach oben abgeschirmt sind und nicht wie
Kugelleuchten ringsherum nachtaktive Insekten anziehen, sind nicht nur aus
Klimaschutzgründen, sondern auch aus Artenschutzgründen von Vorteil. Quelle: Wiener Umwelt Anwaltschaft: "Beim Tausch von
Kugelleuchten gegen LED-Kofferleuchten auf der Wiener Donauinsel wurde von der
MA 33 - Wien Leuchtet 2012 eine Untersuchung der Auswirkungen auf die
Insektenfauna beauftragt. Es zeigte sich, dass Metallhalogendampflampen fünfmal
mehr Insekten anlocken als LED, und dass Leuchten, die nur nach unten strahlen,
("Full-Cut-Off") insektenfreundlicher sind als Kugelleuchten."
Die Lichtökologie beschäftigt sich mit der Auswirkung von
künstlichen Lichtquellen während der Dämmerung und der Nacht auf Lebewesen
(Pflanzen und Tiere wie z.B. nachaktive Insekten und Vögel). Üblicherweise
orientieren sich flugfähige, nachtaktive Insekten mit ihren Facettenaugen an
dem schwachen Licht der Gestirne. Den Nachtfaltern reicht die geringe
Helligkeit des Mondes von nur 0,002 bis 0,4 Lux für Futter- und Partnersuche.
Künstliche Lichtquellen wie z.B. Außenbeleuchtungsanlagen sind für viele
Insektenarten unwiderstehlich.
Sie steuern gezielt auf Lampen zu und umkreisen diese manchmal unvermeidlich.
Dabei prallen sie nicht selten gegen das Leuchtengehäuse, fallen zu Boden und
fliegen die Lampe erneut an. Manchen Faltern gelingt es erst in der
Morgendämmerung in die Natur zurückzukehren, wenn die Kontrastwirkung der
Lichtquelle nachlässt. Auch wenn noch umstritten ist, inwieweit Insekten durch
Lichteinfluss tatsächlich von der Nahrungs- und Partnersuche abgehalten werden,
so besteht jedoch Konsens darüber, dass die Insekten durch das stundenlange
Umschwirren der Lichtquellen unnötig Energie verbrauchen und dass sie außerhalb
ihrer natürlichen Umgebung stärker gefährdet sind.
Weiter zitieren wir aus einem
Artikel aus der „Welt“:
„Die nächtliche
Lichtsuppe beeinflusst etliche Tierarten – und auch den Menschen“, so Völker.
Nächtliche Beleuchtung senke die Blütendichte bestimmter Wiesenpflanzen.
Singvögel wie Rotkehlchen und Amsel beginnen früher
im Jahr zu singen. Insekten konzentrieren sich um Lampen, verenden vor
Erschöpfung oder werden zur leichten Beute von Räubern. …
„Eine Theorie ist, dass einige Insekten die
Lampe mit dem Mond verwechseln, zu dem sie immer in bestimmtem Winkel fliegen“,
erklärt Hölker vom IGB. „In der Folge trudeln sie immer um die Lampe herum.“
Andere würden schlichtweg geblendet. Ein Teil verbrennt oder stirbt erschöpft,
andere werden von Fledermäusen und Spinnen gefressen, die sich auf das Lauern
an solchen Lichtfallen spezialisiert haben.
Mainzer Forscher haben einmal in einer
Hochrechnung geschätzt, dass an den Straßenleuchten Deutschlands in einer Nacht
eine Milliarde nachtaktive Insekten verenden. Wie sich die Umstellung von LEDs
auf dieses Massensterben auswirken wird, ist noch weitgehend unklar. Erste
Studien lieferten unterschiedliche Ergebnisse. „Es gibt Zigtausende Arten“,
erklärt Hölker. „Sie nehmen unterschiedliche Bereiche des Lichtspektrums wahr
und reagieren auch ganz unterschiedlich.“
Bekannt sei, dass viele Nachtfalter, Käfer
und Fliegen eher auf kurzwelliges Licht reagieren und LEDs haben meist einen
Peak im – kurzwelligen – blauen Bereich. „Selbst warmweiß leuchtende
Leuchtdioden haben oft noch ein Blau-Maximum“, sagt Hölker. Es könnte also
sein, dass an LEDs ähnlich viele Insekten sterben wie an den herkömmlichen
Straßenleuchten – wenn sie denn nicht besser ausgerichtet und zeitweise gedimmt
sind.“
Unbestritten haben wir es mit einem dramatischen Rückgang
der Insekten, bei manchen Arten um bis zu 70% und daher eingehend mit einem
ebenso dramatischen Rückgang an Vögeln und Fledermausarten zu tun. Die Gründe
hierfür sind noch nicht abschließend in aller Gänze erfasst. Die
Straßenbeleuchtung und „Lichtverschmutzung“ haben hierbei aber einen
maßgebenden Anteil.
Wenn wir als N!-Region 5G gerade auch in diesem Jahr die
Biodiversität auf unsere Fahnen geschrieben haben und beispielsweise mit ersten
Blumenwiesen das Artenreichtum an Insekten wieder beleben wollen, so muss auch,
wie von Gemeinderat Martin Schnee angeregt, die Straßenbeleuchtung mit in
unsere Überlegungen mit einbezogen werden.
Zur zeitweisen Abschaltung hat der Bauhof nachfolgende
Stellungnahme abgegeben:
Seit der Umstellung auf LED
Leuchten brennen alle Lampen durch. Es wäre möglich wieder, wie vor der
Umstellung auf LED, ab 22.00 Uhr nur noch jede 2. Lampe brennen zu lassen. Dies
geht aber nur, wenn wir neue Sicherungskästen in den Lampen haben. Das ist aber
bei ca. 70 % der Lampen nicht der Fall. Wenn wir die Lampen umgebaut
haben ist es auch möglich in den einzelnen Jahreszeiten Voll- oder Halbnacht zu
schalten. Ein Umbau ist sicherlich sinnvoll, da viele Sicherungskästen älter
als 40 Jahre sind. Wenn wir die Möglichkeit hatten wurde der Sicherungskasten
gleich ausgetauscht. In den Neubaugebieten wurden nur noch neue
Sicherungskästen verwendet. Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt 481 Lampen. Bei
einem Umbau kostet uns eine Lampe ca. 50 Euro Material und Arbeitszeit.Das
wären bei geschätzten 70% (337 Lampen) 16.850 Euro. Ein Austausch in Etappen wäre
möglich.
Wir
halten einen Austausch der Sicherungskästen „nur“ um den vorherigen Zustand der
Lampenschaltung zu erhalten für unangemessen.
Wir schlagen daher vor, dass die Straßenbeleuchtung künftig unter der
Woche von 01:00 Uhr bis 04:30 Uhr, am Wochenende von 02:00 bis 06:00 Uhr ganz
abgeschaltet wird.
Wuhrer
Bürgermeister
Aus Gründen des Insektenschutzes und der weiteren Reduzierung des Stromverbrauchs im Zeichen des Klimaschutzes wird beschlossen, dass die Straßenbeleuchtung künftig unter der Woche von 01:00 Uhr bis 04:30 Uhr und am Wochenende von 02:00 bis 06:00 Uhr ganz abgeschaltet wird.